Pflanzen wachsen so lange weiter, bis sie irgend etwas am Weiterwachsen hindert. In unseren gemäßigten Breiten ist es die Winterkälte, in Trockengebieten ist es Wassermangel. Doch das äquatoriale, warm-feuchte Klima bietet den Pflanzen ununterbrochen optimale Bedingungen ohne solche Beschränkungen. Es entstehen also üppige Wälder mit drei bis fünf übereinander geschichteten Kronenlagen. Aber auch hier wachsen die Bäume nicht in den Himmel, sondern nur so lange, bis sie mit ihrem ungebremsten Wachstum alle Nährstoffe im Boden aufgebraucht haben. Der tropische Regenwald ist deshalb bei all seiner Üppigkeit ein Wald ohne jegliche Bodenreserven. Denn wenn zum Beispiel ein auf den Boden gefallenes Blatt verrottet, werden die dadurch frei gesetzten Nährstoffe sofort wieder von den Wurzeln aufgenommen und in lebende Biomasse eingebaut. Nährstoffreserven können sich daher nur dann in den Böden ansammeln, wenn die Wälder eine jahreszeitliche Wachstumsruhe einlegen. Tropische Wälder für den Ackerbau zu roden, ist deshalb sicher keine schlaue Idee.
Da in den Böden nichts zu holen ist, haben die meisten tropischen Bäume auch keine tief gehenden Wurzeln, sondern flache, weit streichende Wurzelräder. Damit sind die Bäume allerdings schlecht verankert, um starken Winden trotzen zu können. Viele Bäume verbessern ihre Standfestigkeit deshalb mit Stützstreben in Form von schmalen Brettwurzeln (rechts). Einen mächtigen Stamm auszubilden, kostet den Baum allerdings enormen Aufwand. Eine Möglichkeit, schneller zu wachsen und gleichzeitig sparsamer mit den raren Nährstoffen umzugehen, haben sich Lianen wie der Philodendron (unten) erschlossen. So lange andere Arten vorhanden sind, die als Bäume wachsen und damit Stämme bieten, die als Stütze genutzt werden können, so lange ist auch die Strategie der Lianen ein erfolgreiches Konzept.
Während normalerweise Lianen die Bäume nur als Stütze nutzen ohne sie zu schädigen, gibt es auch Ausnahmen. Viele Lianen senden Luftwurzeln zum Boden hinab (oben links), um an Wasser und Nährstoffe zu kommen; bei den Würgefeigen (oben) jedoch verschmelzen die Luftwurzeln zu einem Maschenwerk, das den Trägerbaum daran hindert, in die Breite zu wachsen. Da die Bäume aber gar nicht anders können, als stetig den Stamm zu verdicken, stranguliert sich der Baum am Maschenwerk der Würgefeige schließlich selbst. Bis dahin ist die Würgefeige so stabil geworden, daß sie wie ein Gittermast stehen bleibt, während der Baum verrottet. So ist aus der Liane selber ein Baum geworden.
Noch schneller am Licht der Sonne sind Pflanzen, die gleich oben in den Baumkronen beginnen und sich den Kampf ums Licht am Waldboden sparen. Dieser Strategie folgen die Epiphyten oder Überpflanzen. Wenn man kein Parasit ist, hat man dann aber das Problem an Boden für die Wurzeln zu kommen. Der Geweihfarn (oben) löst es, indem jedes zweite Blatt nach hinten geklappt und zu einem Fangkorb ausgebildet wird, so daß herab fallende Blätter darin verrotten können und so dem Farn sozusagen einen eigenen Blumentopf bieten.
Ein weiteres Problem ist Wassermangel. Bei der intensiven Sonnenstrahlung im Kronenbereich kann den Überpflanzen mit ihrem wenig umfangreichen Wurzelwerk durchaus das Wasser knapp werden, wenn auch meist nur stundenweise. Bromelien (oben) fangen daher Wasser mit ihrem Blatttrichter auf und nehmen es mit Saugschuppen an den Blattbasen auf. Das wiederum machen sich Laubfrösche (links) zu Nutze, die in die Tümpelchen der Bromelientrichter ihre Eier legen und dort als Kaulquappen leben. So brauchen diese Frösche die Baumkronen nicht einmal zur Fortpflanzung verlassen.
Auch andere Tiere bevorzugen die Baumkronen. Auf dem schattigen Waldboden ist nicht viel zu finden, während es in den Baumkronen an schmackhaften Früchten und Blättern nicht mangelt. So pflücken Tukane mit ihren langen Schnäbeln Beeren von dünnen Zweigen. Selbst so schwere Tiere wie die Orang Utans haben sich an ein Leben in den Baimkronen angepaßt. Ihre Füße haben sich in ein zweites Paar Hände verwandelt und sie zu hervorragenden Kletterern gemacht.