Man könnte meinen, daß der Laubwurf eine Anpassung an die nun größere Winterkälte sei. Noch weiter im Norden wachsen jedoch bei noch größerer Winterkälte Wälder aus immergrünen Nadelbäumen ohne Probleme. Tatsächlich stellt der Laubwurf in erster Linie eine Anpassung an winterlichen Wassermangel, der so genannten Frosttrocknis, dar.
Genau umgekehrt ist es im Inneren der Kontinente, wo sich die Tiefdruckgebiete längst abgeregnet haben und deshalb weit weniger Wolken den Himmel bedecken. Hier scheint die Sonne ausdauernder, und sowohl sommerliche Dürren wie winterliche Frosttrocknis kommen zur vollen Wirkung. Nun treten nur noch Wälder auf, die lediglich aus Laub werfenden Bäumen ohne jegliche immergrüne Begleitung bestehen.
Erstaunlicherweise werfen selbst kahle Bäume mit ihrem Zweigegeflecht genug Schatten, daß die Sonneneinstrahlung weit genug reduziert wird, um die Frosttrocknis im Unterwuchs stark abzumildern. Deshalb können große Teile der winterkahlen Laubwälder immergrünen Unterwuchs aus Kleinbäumen oder Sträuchern wie Rhododendren (unten), Stechpalmen (oben links) oder Eiben (oben rechts) aufweisen. Dies ist vor allem in südlicheren Gebieten der Fall, wo die Winterfröste nicht so stark sind und Frosttrocknisphasen damit ohnehin nur kurz auftreten. Aber auch weiter im Norden kann immergrüner Unterwuchs unter den winterkahlen Bäumen auftreten: In meeresnäheren Regionen sind die Winter milder als im Inneren der Kontinente, und außerdem unterstützt die dort häufigere Bewölkung die Beschattung der Immergrünen.
Wenn es im Vorfrühling bereits wieder warm genug für das Pflanzenwachstum ist, müssen die kahlen Bäume erst einmal ihr Laub komplett neu bilden und vorher Wasser und Nährstoffe bis in die feinsten Zweige hinauf transportieren. Diese Zeit, in der die Bäume erst allmählich in Gang kommen, nutzt eine Fülle kleiner Kräuter am Waldboden aus, die jetzt bereits blühen, Photosynthese machen und fruchten. Im Sommer, wenn die Bäume im vollen Laub stehen, wird es am Waldboden so schattig, daß es für Arten wie Märzenbecher (oben), Scharbockskraut (unten links) und Leberblümchen (unten) schon wieder zu dunkel wird.
Trotz im Prinzip ausreichender Niederschläge kann es in den gemäßigten Breiten nämlich vorkommen, daß im Winter Wassermangel auftritt: Die Sonne kann hier auch im Winter durchaus stark genug scheinen, um in den Pflanzen die Photosynthese anzuregen. Gleichzeitig kann der Boden knochenhart gefroren sein. Nun geht Photosynthese aber immer mit Verdunstung einher. Wenn also die Blätter unter solchen Bedingungen die Arbeit aufnähmen, verbräuchten sie Wasser, das von den Wurzeln nicht nachgeliefert werden kann, weil das Bodenwasser zu Eis erstarrt ist. Als Folge würden die Pflanzen vertrocknen, und sie vermeiden dies, indem sie die Blätter abwerfen.
Auf die immergrünen Hartlaubwälder folgen im Norden die winterkahlen Laubwälder, die - wie der Name schon ausdrückt - nur im Sommer Laub tragen und im Winter kahl sind.
Zu dieser Zeit haben die Vorfrühlingsblumen ihren Jahreszyklus jedoch schon längst abgeschloßen und ruhen mit ihren Wurzeln, Knollen oder Zwiebeln im Boden bis zum nächsten Frühjahr, wenn sie erneut eine geradezu spektakuläre Blüte verursachen - es sei denn, ein Wildschwein (unten rechts) hat sich an ihnen gütlich getan. Wildschweine sind charakteristische Tiere der winterkahlen Wälder (und wärmerer Waldtypen). Sie finden ihre Nordgrenze dort, wo anhaltende strenge Fröste verhindern, daß sie ihre Nahrung aus dem Boden wühlen können. Als Allesfresser können sie dann zwar noch eine gewisse Zeit zum Beispiel von Aas leben. Auf Dauer ist das aber keine Basis für sie. Hirsche wie das Reh (unten links) kommen hingegen über kalte Winter, indem sie die Rinde und Triebspitzen abnagen.
Schließlich weichen auch die rein winterkahlen Wälder zurück und machen ausgedehnten Steppen Platz. Genau so wie die Savannen der Tropen bieten die Steppen mit ihren Grasmeeren trotz sommerlicher Dürre und barbarischer Winterkälte großen Tierherden eine Existenz. So wanderten immense Bisonherden (links) über die nordamerikanischen Prärien, während nicht weniger eindrucksvolle Herden von Pferdeverwandten wie dem Kulan (unten links) und oder von Antilopen wie der Kropfgazelle (unten) durch die Steppen Eurasiens zogen. Diese Herden benötigten für ihre Wanderungen große Räume, um bei zu harschen Bedingungen ausweichen zu können.