Da im Sommer die Tiefdrucksysteme der Mittleren Breiten die Tundrazone erreichen, erhalten die Pflanzen dann auch Regen. So ist ein zwar niedriger, aber üppiger Pflanzenwuchs möglich, und eine im Frühsommer in voller Blüte stehende Tundra ist ein unvergleichlicher Anblick (rechts). Diese Pflanzen bieten damit aber auch reiche Weidegründe für ansehnliche Tierbestände.
Jenseits der Waldgrenze beginnt die Tundra, die keinen einheitlichen Lebensraum darstellt, sondern vor allem in ihren südlichen Bereichen ein Mosaik aus Moor- und Heide ist. Hier wachsen viele der Pflanzen unter freiem Himmel, die in der Taiga im Unterwuchs vorkamen. Grund dafür ist, daß nun im Freien bei der hier viel schwächeren Sonnenstrahlung in etwa die gleichen Bedingungen herrschen wie unter der stärkeren Einstrahlung in der Taigazone im Waldschatten. Obwohl die so genannte Zwergstrauch-Tundra wegen des Fehlens der Bäume so ganz anders wirkt als die Taiga, sind sie sich bezüglich der vorkommenden Arten sehr viel ähnlicher als etwa die Zwergstrauch-Tundra mit den weiter nördlich verbreiteten Tundren.
Deshalb haben diese Bäume kerzengerade Stämme, die den Druck dieser Auflast gut tragen können. Die Zweige sind elastisch und kurz, so daß sie bei zu hoher Schneelast nicht abbrechen, sondern sich biegen und der Schnee abrutschen kann. Zu diesem Schneebaumtyp zählen vor allem Fichten und Tannen, aber auch schmalkronige Kiefern. Sie bilden die nordischen Nadelwälder, die so genannte dunkle Taiga.
Noch weiter im Norden sind die Wälder erneut immergrün, aber wir treffen hier auf einen neuen Typ von Bäumen, den so genannten Schneebäumen: Wegen der im Norden weniger intensiven Sonneneinstrahlung ist die Frosttrocknis schwach genug, daß die Bäume mit kleinen, harten Nadeln die winterliche Verdunstung hinreichend einschränken können, zumal, da hier - im Gegensatz zur Zone der winterkahlen Wälder - im Winter zuverlässig Schnee fällt, der das immergrüne Laub beschattet. Allerdings bleibt auf immergrünen Zweigen wesentlich mehr Schnee liegen als auf kahlen, und damit haben die Bäume ein enormes Gewicht zu tragen.
In hartem Kontrast zu den schattigen Wäldern stehen die weiten Moorgebiete, die immer wieder die Taiga unterbrechen. Sie können sich nicht nur in Gebieten mit hohen Niederschlägen, sondern sogar im Inneren der Kontinente bilden, weil dort eher Dauerfrost im Boden herrscht, so daß das Wasser nicht im Boden versickern kann. Da in diesen schon höheren Breiten auch die Verdunstungsrate gering ist, können sich trotz unergiebiger Regenfälle, wie sie unter kontinentalen Bedingungen normal sind, Staunässe und Versumpfungen bilden, die sich zu Mooren entwickeln, in denen spezielle Pflanzen wie Sonnentau (rechts) und Wollgras (unten rechts) gedeihen.
In den extremsten Bereichen im Herzen Sibiriens hält nur noch die Lärche durch. Die Fröste sind oft so stark (zum Teil unter -50°C!), daß nun die immergrünen Nadeln zu starke direkte Kälteschäden erleiden. Die Lärche wirft jedoch ihre Blätter im Winter ab - bei den kurzen Sommern eigentlich eher ein Nachteil. Da aber in diesen extrem kontinentalen Bereichen die Sommer erstaunlich heiß sind (mitunter über 30°C!), kann die Lärche ihr Laub zügig genug aufbauen. Sie schafft damit zwar kein beeindruckendes Jahreswachstum, da aber die Konkurrenz der Fichten und Kiefern ausgeschaltet ist, findet die Lärche hier ihre Nische und bildet die so genannte helle Taiga (oben), die sich an der Waldgrenze in eine Waldtundra auflöst, in der die Lärchen immer weiter auseinander stehen und kleinwüchsiger werden. In Nordamerika gibt es zwar auch Lärchen, doch ist der Kontinent zu klein, um so extreme Bedingungen wie in Sibirien zu schaffen. Lärchen wachsen hier eher am Rande der Moore (unten).
Die Wälder der dunklen Taiga sind von tiefem Schatten geprägt. Da die Bäume immergrün sind, gibt es für Vorfrühlingsblumen kein Lichtfenster, und sie fehlen fast ganz. Statt dessen ist der Boden von Moosen, niedrigen Farnen und Zwergsträuchern wie der Preißelbeere (oben links) bedeckt. Gleichwohl gibt es hübsche Blumen in diesen Wäldern, wie zum Beispiel die Wintergrünarten (oben rechts).
Während Wollgras und Sonnentau auch in Mooren südlich der Nadelwaldzone vorkommen, ist die Moltebeere (oben links) eine eng an die Taigazone gebundene Moorpflanze, die allerdings wie viele andere Pflanzen dieser Zone auch noch bis in die südliche Tundrazone vordringen. Bei all diesen weichen, sumpfigen Böden ist es kein Wunder, daß das Charaktertier dieser Wald- und Moorgebiete, der Elch (links), über besondere Anpassungen verfügt: Er hat spreizbare Hufe, die eine größere Auflagefläche bieten, so daß er trotz seines Gewichts nicht all zu tief einsinkt.
Vor allem Fichten bilden an der Waldgrenze oft eine eigenartige Wuchsform aus, bei der die vom Schnee geschützten unteren Zweige weit streichende Matten bilden, während über dem Schnee nur dünne, spindelige Stämmchen aufwachsen. Diese Wuchsform hat in Neufundland einen besonderen Namen erhalten: Tuckamore (auch auf dem Bild rechts zu sehen).
So können sich Erdhörnchen und Murmeltiere (links) im kurzen Sommer größere Fettvorräte anfressen und den Rest des Jahres einfach verschlafen. Rentiere (unten) ziehen im Sommer aus der Taiga auf dieTundra hinaus und wandern im Herbst wieder ab. Allerdings gibt es im höchsten Norden entlegene Gebiete, die die Rentiere nicht verlassen können. Da es zum Pol hin aber immer spärlicher schneit, können die Tiere dort den Schnee leicht weg scharren und so auch im Winter Futter finden. Der Moschusochse (unten links) bleibt ohnehin das ganze Jahr über dort. In südlicheren, regenreicheren Gebieten würde sein dickes Fell zu leicht nass und klamm, so daß die Tiere an Lungenentzündung eingehen würden.